Eye Movement Desensitization
and Reprocessing (EMDR) ist eine von Dr. Francine Shapiro entwickelte
traumabearbeitende Psychotherapiemethode, die die Möglichkeiten
der Behandlung seelisch traumatisierter PatientInnen nachweislich erheblich
verbessern kann.
Wie in anderen Therapieverfahren auch, gibt es eine Lernkurve, in der
die TherapeutInnen mit zunehmender Erfahrung in der Methode auch mit
zunehmend komplexen Traumafolgeerkrankungen umgehen können. Auch
wenn EMDR mit den Behandlungsplänen verschiedener Therapieformen
vereinbar ist, setzt es doch die Einbettung in ein grundsätzlich
psychotraumatisch orientiertes Therapiekonzept voraus.
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist derzeitig die
Therapiemethode mit den eindeutig meisten kontrollierten und unkontrollierten
Therapiestudien zur Behandlung von PTSD.
Im EMDR sind neben den Erkenntnissen aus der neurophysiologischen
Forschung sehr viele Erfahrungen aus der psychodynamischen, aber auch
aus der kognitiv-behavioralen Therapie enthalten. Die Methode ist von
der Haltung her klientenzentriert. Sie lässt sich sehr gut in die
meisten Psychotherapien verschiedener Schulen integrieren. Die Erfolgsquote
bei der Behandlung von PTSD liegt je nach Klientel (und Studie) zwischen
75 und 100%.
EMDR wurde zwischen 1987 und 1989 von Dr. Francine Shapiro, einer Psychologin
am Mental Research Institute in Palo Alto, Kalifornien, entwickelt.
Sie basiert auf der Beobachtung, dass sich psychische Belastungen verringern,
wenn die Augen schnell und rhythmisch bewegt werden, während der
Betroffene an das belastende Ereignis denkt. Shapiro erforschte dieses
Phänomen systematisch und entwickelte eine Methode mit einem Standardprotokoll
für die Behandlung psychotraumatischer Belastungen, das sich in
acht Schritten unterteilen lässt.
- In der ersten Phase wird unter besonderer Beachtung der Traumageschichte
eine gründliche Anamnese erhoben, wobei bestehende Ressourcen
und dysfunktionales Verhalten festgestellt und eine genaue Diagnose
gestellt wird. Die Indikation wird überprüft und der Behandlungsplan
erstellt.
- In der Phase der Vorbereitung, der zweiten Phase, werden der
Behandlungsplan, das methodische Vorgehen und Sicherheitsvorkehrungen
besprochen, eventuelle Risiken abgeklärt und der Klient wird
durch die Vermittlung von imaginativen Techniken und Entspannungsverfahren
stabilisiert.
- In der dritten Phase findet die Bewertung der traumatischen Erinnerung
statt. Das Trauma wird evaluiert und in seinen visuellen, affektiven
und sensorischen Komponenten erfasst. Ebenso wird die Auswirkung auf
das Selbstbild hinterfragt und bewertet. Relevante negative Kognitionen
und Alternativen werden gesucht und überprüft.
- In der vierten Phase findet die eigentliche Bearbeitung durch
Desensibilisierung und Reprozessierung statt.
Nun wird der Klient angeregt, sich auf die traumatische Erinnerung
mit ihren visuellen, affektorischen und sensorischen Komponenten zu
konzentrieren und den ablaufenden Prozess zuzulassen, während
die Therapeutin mit der Hand bilaterale Augenbewegungen induziert
oder auch andere alternative bilaterale Stimuli anwendet.
Normalerweise führt das sehr rasch zu einer Veränderung
in den einzelnen Komponenten, oder es treten spontane Assoziationsketten
ähnlich denen einer Psychoanalyse auf. Bei ca. einem Drittel
der KlientInnen kommt es zu emotionalen Abreaktionen, die jedoch wegen
des schnellen Prozessierens weniger belastend sind, die allerdings
natürlich sehr kompetent begleitet werden müssen, damit
keine Retraumatisierung passiert.
Die Stimulationen werden so lange fortgesetzt, bis es keine Veränderungen
mehr gibt. Am Ende des Prozesses ist die Belastung normalerweise auf
das für heute angemessene Mass zurückgegangen. Das Erlebnis
kann jetzt in die eigene Biographie integriert werden.
- Die fünfte Phase ist die Phase der Verankerung. Jetzt wird
die in der dritten Phase gewünschte positive Kognition mit der
Ausgangserinnerung verbunden. Sie scheint durch nochmalige bilaterale
Stimulation verstärkt und besser aufgenommen zu werden.
- In der sechsten Phase findet ein Körpertest statt, indem
die PatientIn in Gedanken durch ihren Körper geht und nachspürt,
ob und wo sie angenehme oder unangenehme Empfindungen hat. Die angenehmen
werden verstärkt, die unangenehmen so lange bearbeitet, bis sie
sich auflösen. Erst wenn der Körper ganz entspannt ist und
nirgends mehr Belastung spürbar ist, ist auch das Trauma vollständig
bearbeitet.
- In der siebten Phase, also der Abschlussphase, werden die in
der Behandlung gemachten Erfahrungen und mögliche später
auftretende Phänomene besprochen. Falls die Sitzung inkomplett
war, das heisst, falls die Belastung nicht vollständig aufgehoben
war, werden Distanzierungstechniken eingesetzt und weitere Verhaltensmassnahmen
vermittelt.
- In der nächsten Sitzung findet die Phase der Nachbefragung
statt. Jetzt wird noch einmal überprüft, ob die erreichten
Änderungen stabil sind, bevor ein eventuell neues Thema angegangen
werden kann.
Bei sequentiell traumatisierten Menschen bleibt häufig bei den
ersten Behandlungen noch eine Restbelastung, wenn diese allerdings
gering ist und die positive Kognition als sehr stimmig erlebt wird,
kann eine weitere traumatische Situation als Ziel zur Verarbeitung
anvisiert werden.
Wie die bilaterale Stimulation die Verarbeitung genau bewerkstelligt,
muss noch genauer untersucht werden, bislang haben wir lediglich Hypothesen.
Die beim EMDR durchgeführten Augenbewegungen, sensorischen Impulse
oder akustischen Reize scheinen die Kommunikation der Grosshirnhemisphären
zu stimulieren. Der genaue Wirkmechanismus von EMDR ist bisher unbekannt
und bedarf weiterer Forschung. Shapiro postulierte ein Informationsverarbeitungssystem
im ZNS. Durch die Reizüberflutung während einer traumatischen
Situation scheint dieses System zum Teil blockiert zu werden. Eine Hypothese
lautet, dass durch die bilateralen Stimulationen diese Blockade überwunden
werden kann. Beobachtungen zeigen, dass während einer EMDR-Sitzung
Informationen sogar beschleunigt verarbeitet werden und es zu einer
kognitiven Umstrukturierung kommt.
Bei der EMDR-Behandlung eines Klienten mit einer einzelnen Traumatisierung
reichen in der Regel wenige Sitzungen, wenn keine starken Vorbelastungen
vorliegen.
Bei einer Behandlung eines Klienten, der sequentiell über eine
langen Zeitraum hinweg traumatisiert worden ist, braucht es je nach
Vorbelastung für die Stabilisierungsphase einen längeren Zeitraum.
Diese Phase kann einige Wochen dauern, sie kann aber auch einen Zeitraum
von manchmal sogar mehreren Jahren brauchen, beispielsweise bei KlientInnen,
die über sehr schwache Ichstrukturen und sehr wenige Ressourcen
verfügen.
Im Behandlungsplan wird eruiert, welche traumatisierenden Ereignisse
besonders typisch für das gesamte Traumaerleben sind und welche
negativen Selbstaussagen am meisten blockieren. In der ersten Desensibilisierungs-
und Reprozessierungs-Sitzung wird in der Regel die frühste traumatische
Erfahrung bearbeitet, es folgen dann die Bearbeitungen der belastendsten,
also der schlimmsten Erfahrungen, das letzte Bearbeitungsziel ist die
Verarbeitung der letzten traumatischen Erfahrung.
Quelle:
EMDR als Psychotherapiemethode. EMDR-Institut "Psychotherapeutisches
Institut am Park" in Schaffhausen/Schweiz. Erhalten am 30.11.2001
vom World Wide Web: http://www.emdr-institut.ch/01_emdr/emdr_1.htm.
Andere Links für die Beschreibung der Therapiemethode:
Bitte senden Sie Ihre Kommentare an Seelmann-Eggebert,
Brigitte.
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisert am 01.12.2001.
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